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Was Ist Denn Mit Der Sonne Los?

by Verrath

Was für ein perfekter Sommertag!

Überglücklich, daß ihr Stubenarrest endlich vorbei war, und sie jetzt nicht mehr bei diesem herrlichen Wetter in ihrem Zimmer bleiben mußte, hüpfte Gabi den Bürgersteig entlang. Es waren nur ein paar Straßen zu Sinas Haus. Die Sonne brannte mit aller Kraft auf den Gehweg herunter, und an dem strahlend blauen Himmel war nicht die Spur einer Wolke zu sehen.

Das blonde Mädchen trug eine Umhängetasche mit ihren Badesachen über der Schulter, denn die beiden Kinder hatten beschlossen, "Argo" hinaus zu See zu reiten, um schwimmen zu gehen. Sina hatte versprochen, Gabi zu zeigen, wie man ganz auf den Boden des Sees tauchen konnte. Das hatte Gabi bis jetzt noch nie geschafft, und sie freute sich darauf.

Als sie bei Sina ankam, war Argo bereits fix und fertig gesattelt (nachdem das Mädchen ihrer Mutter drei Tage lang in den Ohren gelegen hatte mit der Bitte, sie endlich wieder aus der Garage holen zu dürfen, nach dem großen Mißgeschick im Giganten-Graben). Das Fahrrad, frisch poliert und geölt, glänzte nur so in der Sonne. Eine Tasche mit Sinas Badeanzug und einem Handtuch hing an Argos Lenker. Natürlich war auch Sinas hölzernes Schwert mit von der Partie - der Griff ragte ebenfalls aus der Tasche hervor.

"Es wird aber auch Zeit," murrte Sina, als sie ihre Freundin kommen sah. "Los, steig schon auf! Das Wasser wird bestimmt nicht kühler." Gabi warf ihr einen trotzigen Blick zu, kletterte aber wortlos auf den Gepäckträger, und los ging die Fahrt. Die Straße hinunter, dann rechts, ein paar Minuten über's Land, und dann zum See, wo sich die Leute aus der kleinen Stadt zur Erholung trafen. Sie nahmen keine Abkürzungen und blieben artig auf den Wegen, wie es sich für brave Kinder nun einmal gehörte.

 

"Probier's nochmal! Diesmal hast du's fast geschafft!"

Der See lag ruhig und friedlich in der frühen Morgensonne. Kopf und Schultern von zwei Gestalten ragten aus dem Wasser, hoben und senkten sich langsam im Rhythmus der sanften Wellen des kristallklaren Wassers. Der Atem der beiden machte kleine Wölkchen in der kühlen morgendlichen Luft.

 

"Hey, Gabrielle, was soll das denn? Bei der Hitze kann ich mir das mit den Atemwölkchen jetzt wirklich nicht vorstellen."

Gabi, die mit Sina ein Stück hinausgeschwommen war, rollte die Augen. "Ich dachte nur, daß ein einsamer See in den Bergen idyllischer ist, als so ein überfüllter, lauwarmer Badesee."

"Na ja, egal" erwiderte Sina, "aber mach es warm, und am Mittag, okay?"

"Na gut. Spielverderber."

 

"Okay, los geht's!" Gabrielle holte tief Luft, und tauchte ab. Ihre Beine kickten zwei, dreimal über dem Wasser, und dann verschwand sie. Ihre dunkelhaarige Freundin sah ihr mit einem kleinen Lächeln nach. "Und denk dran, die Luft langsam rauszulassen," rief sie der Bardin nach.

Die Oberfläche des Wassers glättete sich, während Gabrielle nach unten tauchte. Ab und zu blubberte eine Luftblase nach oben und verriet, wo sich die Bardin gerade befand. Xena ließ sich ganz ruhig treiben und beobachtete gespannt die Stelle, an der ihre Freundin verschwunden war.

Mit einem mächtigen Wasserschwall tauchte Gabrielle wieder auf. Ein triumphierender Schrei verließ ihre Lippen, bevor ihr Kopf ganz die Wasseroberfläche durchbrochen hatte. In ihren Händen wand sich ein silbrig glänzendes etwas, daß heftig zappelnd verzweifelt versuchte, ihrem Griff zu entrinnen.

"Ich hab's geschafft!!! Sieh doch, Xena, ich hab's wirklich geschafft!"

"Ich wußte, daß du es kannst, Gabrielle," lächelte die Krriegerin. Und was für ein schöner großer das ist! Warum wirfst du ihn nicht da rüber zu den anderen, und dann laß uns das Mittagessen kochen, ja?"

"Das klingt gut."

 

Sie warf ihren Fang an Land. Er flog in einem weiten, silbrigen Bogen auf einen kleinen Haufen mit bunten Kieselsteinen am Ufer zu. Aus dem fetten Barsch wurde wieder ein gewöhnliches, nasses Steinchen, daß sich mit einem lauten Klacken zu seinen Leidensgenossen gesellte.

Kurz darauf entstiegen zwei junge Mädchen in Badeanzügen voller bunter Cartoon-Figuren dem Badesee, sich das Wasser aus den Haaren wringend, und, als sich ein leichter Wind regte, sich zitternd die Arme reibend. Gabi griff ihre Handtücher und warf Sina das ihre zu, ein breites Grinsen auf dem Gesicht.

"Ganz unten war ich, Sina! Ich hab's wirklich geschafft," plapperte sie aufgeregt.

Sinas Augen leuchteten voll stillem Stolz auf ihre kleinere Freundin. "Ja, das hast Du allerdings."

Sie setzten sich neben ihren Beutehaufen, und Gabi machte sich daran, die mitgebrachten Brote auszupacken, die ihre Mutti für die beiden Mädchen gemacht hatte. Hmmm, lecker, Nutella! Genau das, was hungrige Kriegerinnen und Barden brauchten!

Mitten im Kauen hielt Sina plötzlich inne, und blinzelte zum Himmel hinauf, die Stirn in Falten gezogen. "Hey, Gabi, was ist denn mit der Sonne los?" sagte sie um den klebrigen Bissen in ihrem Mund herum. "Findest du nicht auch, daß sie irgendwie komisch aussieht?"

Gabi schirmte ihre Augen mit einer Hand ab und und sah den glühenden Ball durch zusammengekniffene Lider an. "Sieht aus wie immer," sagte sie, "wieso denn, was - heilige Schande!!!" (Das andere Wort durfte sie ja nicht sagen) "Das sieht ja aus, als ob da ein Stück fehlt!"

"Jap. Ich hab mir das jetzt eine Weile angeschaut, und es sieht so aus, als ob es größer wird. Wir haben Schwierigkeiten, Gabrielle."

"Allerdings! Wir müssen Zeus Bescheid sagen! Irgendwas frißt die Sonne auf! Laß uns schnell Argo satteln und alle warnen!"

 

Tatsächlich sah Apollo, der mächtige Sonnengott, so aus, als ob jemand sich einen Bissen von ihm genehmigt hätte! Xena warf hastig den Sattel auf den Rücken ihrer treuen Stute, während Gabrielle das Lager zusammenräumte und alles in die Satteltaschen stopfte.

Nur wenige Minuten später jagten sie im gestreckten Galopp über die Felder, große Angst im Herzen, und schrien die Warnung jedem zu, den sie unterwegs sahen.

 

Der kleine Jock kniete auf dem Bürgersteig und schob seine Spielzeug-Autos über die Straßen, die er zuvor mit Kreide gemalt hatte, als er den Krach am Ende der Straße hörte. Kurz darauf sah er Sina auf ihrem Fahrrad wie von Furien gehetzt die Straße hinaufjagen, wild kreischend, während Gabi auf dem Gepäckträger heftig mit einem Arm gestikulierte und ausnahmsweise einmal vergaß, sich krampfhaft festzuhalten.

Kreischend kam das Fahrrad vor Jock zu Stillstand, beide Mädchen völlig außer Atem und ganz offensichtlich ziemlich verstört.

 

"Joxer, hier geschehen schreckliche Dinge," keuchte Gabrielle.

"Und was? Geht vielleicht die Sonne aus oder sowas?" antwortete der Möchtegern-Krieger gelangweilt, ohne seine Aufmerksamkeit von dem abzuwenden, was auch immer er da am Boden kniend tat.

"Noch nicht, aber es könnte passieren," sagte die Kriegerprinzessin mit kühler Stimme. (Obwohl ihr rotes, völlig verschwitztes Gesicht dabei nicht so ganz ins Bild passen wollte)

"Schau doch mal nach oben, dann wirst Du's schon sehen," sagte Gabrielle stirnrunzelnd.

"Ja klar, ihr zwei. Diesmal fall ich nicht drauf rein. Ihr wollt mich nur wieder reinlegen, und euch über den armen Joxer lustig machen. Ich... "

Im nächsten Augenblick fand er sich in Xenas Würgegriff wieder, die messerscharfe Klinge der Kriegerin an seiner Kehle. "Jetzt hör mir mal zu Joxer, wir haben keine Zeit für deine Spielereien. Also sieh nach oben! Jetzt!"

Joxer schluckte heftig und gehorchte. Und riß erschreckt die Augen auf. Das fehlende Stück in der Sonne war um einiges gewachsen. Der Himmel schien schon dunkler zu werden.

"Irgendwas frißt die Sonne auf," erklärte Gabrielle, "und wir sind unterwegs, um Zeus zu warnen. Also, kommst Du jetzt mit oder nicht?"

Nur wenige Minuten später jagten sie zu dritt über die Felder, die Kriegerin auf Argo, Joxer und die Bardin, so schnell sie ihre Beine tragen wollten, große Angst im Herzen.

Dunkler und dunkler wurde der Himmel, als immer mehr von der Sonne dem rätselhaften Phänomen zum Opfer fiel. Weiter und weiter jagte die kleine Gruppe, und die Zeit wurde knapp.

 

Andy schlenderte die Straße entlang, leise vor sich hin pfeifend. Eine Hand steckte in der Hosentasche, die andere zog einen Stock and den Zäunen entlang. Er machte dabei solch einen Radau, daß er das panische Trio und das Fahrrad erst bemerkte, als sie ihn beinahe überrannten.

 

"Oh, du bist es, Autolycus," sagte Xena. Ihre blauen Augen sahen mittlerweile schon ein wenig wild aus, und glitzerten voller Frust, weil sie nichts gegen das langsame Verschwinden der Sonne tun konnte.

Der König der Diebe verbeugte sich leicht. "Immer zu deinen Diensten, schöne Kriegerprinzessin."

Xena rollte die Augen. "Ja, gut. Wir haben ein Problem. Schau mal."

Seinen Schnurrbart zwirbelnd, hob der Dieb seinen Kopf, um zu sehen, worauf die Kriegerin zeigte. Über die Hälfte der Sonne war bereits verschwunden. "Ich nehme an, das bedeutet nichts Gutes," sagte er mit gespielter Gleichgültigkeit.

"Das kannst Du laut sagen!" rief Joxer der Mächtige aus. "Komm schon, wir sind auf dem Weg zum Alten Herrn, vielleicht kann der was machen."

"Er heißt Zeus," rügte Gabrielle. In panischer Hast nahmen sie ihre wilde Jagd wieder auf, große Angst im Herzen.

 

Emily saß gerade beim Tee mit ihrem Puppen und dem Teddy, als die kreischende, aufgeregte Bande bei ihr ankam.

 

"Xena! Gabrielle! Wie schön, euch zu sehen," begrüßte die blonde Amazone die beiden. "Ist ja schon eine Ewigkeit her. Was treibt euch denn in diese Gegend?"

"Irgendwas frißt die Sonne auf!" schrie Gabrielle, schon leicht hysterisch.

Ephiny sah zum Himmel hinauf. Tatsächlich, Apollo fehlte schon ein riesiges Stück aus seiner Seite, und er schien mit erschreckender Geschwindigkeit von dem schwarzen Etwas gefressen zu werden. "Ihr Götter, das ist ja schrecklich! Was können wir nur tun?"

"Wir sind unterwegs, um Zeus zu warnen," erklärte Xena. "Kommst Du mit uns? Wir können jede Hilfe gebrauchen."

"Natürlich!"

Und so kam es, daß Ephiny, die Amazone, sich ebenfalls zu ihnen gesellte, wie sie so über die Felder jagten, große Angst im Herzen.

 

'Zeus' saß auf seinem Lieblings-Schaukelstuhl, draußen auf der Terrasse vor dem Haus, als eine kleine Horde von Kindern keuchend und schnaufend in seinem Vorgarten einfiel, allen voran seine Tochter und diese dunkelhaarige Unruhestifterin mit ihrem Fahrrad.

"Paaaapiiiiiiii," jaulte Gabi. Mehr konnte er nicht verstehen, denn auf einmal fingen alle Kinder an, durcheinanderzureden, wild mit den Armen fuchtelnd und immer wieder aufgeregt gen Himmel zeigend. Ab und zu schnappte er einige Satzfetzen auf: "...frißt die Sonne auf..." und "...Monster im Himmel..." Er schmunzelte und hob beschwichtigend die Hände.

"Na, na, na..." begann er, aber niemand schien ihn zu hören. Also versuchte er es erneut, diesmal etwas lauter.

 

Mächtig donnernd erklang Zeus' Stimme inmitten des Chaos.

"Schweigt, Sterbliche!!!"

Und eine plötzliche Stille legte sich über die versammelten Menschen.

 

"Okay, Kinder," sagte Gabis Vater mit ruhiger Stimme. "Ihr braucht gar keine Angst zu haben. Niemand frißt hier die Sonne auf. Wir haben nämlich eine Sonnenfinsternis. Das ist etwas ganz, ganz seltenes, und wir haben viel Glück, daß wir so ein tolles Naturschauspiel einmal beobachten können."

"Was ist eine Sonnenfinsternis?" fragte Jock.

"Das ist, wenn der Mond sich zwischen die Sonne und die Erde schiebt. Dann bedeckt er die Sonne, und die Sonnenstrahlen können für ein paar Minuten nicht zu uns durch. Das passiert nicht oft, und wenn es mal vorkommt, dann können wir es normalerweise hier nicht sehen. Also schlage ich vor, daß ihr euch jetzt alle mal hier hinsetzt und euch das in Ruhe anseht."

Das taten die Kinder dann auch, obwohl ihnen noch immer nicht völlig wohl bei der ganzen Sache war.

Mit offenen Mündern sahen sie zu, wie das schwarze Ding, das die Sonne vereinnahmte, größer und größer wurde, bis nur noch ein kleiner, sichelförmiger Spalt des goldenen Balles übrigblieb. Bald war auch der verschwunden, und nur ein sanft schimmernder, runder Strahlenkranz umschloß die Stelle, wo Apollo's helles Feuer noch vor Kurzem den Tag erleuchtet hatte. Die Welt hüllte sich in Dunkelheit.

Gabi war etwas näher an Sina herangerutscht, und die beiden hielten sich ganz fest an den Händen. Wenn die Welt schon unterging, fand das blonde Mädchen wenigstens Trost bei ihrer größeren Freundin!

 

"Xena, du mußt irgendwie da rauf gehen und den Mond wegschieben, sonst sehen wir die Sonne vielleicht nie wieder," flüsterte Gabrielle eindringlich.

"Wie soll ich das machen?" flüsterte die Kriegerin zurück.

"Ich hab eine Idee," meldete sich der König der Diebe zu Wort. "Fragt doch mal Pegasus."

"Gute Idee, Autolycus," sagte Xena begeistert. "Ganz bestimmt wird er uns helfen."

"Natürlich wird er helfen," versicherte Gabrielle. "Du mußt ihn nur mit einen Büschel Möhren bestechen. Pegasus würde alles tun für Möhren."

Xena erhob sich, um sich dem geflügelten Hengst zu nähern, der friedlich grasend in einiger Entfernung auf der Wiese stand.

"Hier, das kannst Du vielleicht gebrauchen," sagte Autolycus noch, und warf ihr ein langes, starkes Seil zu.

"Danke," sagte die Kriegerin, und fing es gekonnt auf. Sie ging auf das stolze Tier zu, und erklärte ihm das Problem. Schon bald wieherte das geflügelte Pferd leise sein Einverständnis, und Gabrielle und die anderen sahen zu, wie eine Kriegerprinzessin von dem sagenumwobenen Pegasus in die Lüfte erhoben wurde, direkt auf den abtrünnigen Himmelskörper zu. (Komisch war nur, daß Gabrielle während der ganzen Zeit nicht einen Moment lang die Hand ihrer Freundin loslies)

Kriegerin und Pferd waren schon bald nicht mehr am Himmel zu sehen. Daß ihre Mission aber von Erfolg gekrönt war, das konnten die am Boden gebliebenen bald sehen, als der Mond nach einer Weile widerwillig seine Position aufgab. Bald war schon wieder eine schmale Sichel von strahlendem Sonnenlicht zu sehen.

Gabrielle konnte die Kriegerprinzessin vor ihrem geistigen Auge sehen, wie sie das Seil fest um den Mond geschlungen hatte, und wie ihre Muskeln spielten, während Pegasus' Flügel mit aller Kraft gegen das riesige Gewicht ankämpften.

Langsam, ganz langsam, gab der Mond dem Druck nach und setzte sich behäbig in Bewegung, um auf seinem vorbestimmten Kurs weiterzuziehen. Der Himmel hellte sich wieder auf, als der schwarze Schatten nach und nach von der Sonne verschwand. Bald strahlte Apollo wie zuvor in seiner ganzen Schönheit. Ja, er schien sogar noch heller zu sein, nach diesem Moment der Dunkelheit.

Die Sterblichen brachen in lautes Jubeln aus, als Pegasus wieder auf der Erde landete und eine erschöpfte Kriegerin von seinem Rücken glitt. Xena klopfte dem Hengst noch einmal dankend den Hals, bevor sie sich wieder zu ihren Freunden gesellte.

 

"Seht ihr, Kinder," sagte Gabis Vater lächelnd, "es gab wirklich keinen Grund zur Sorge. Der Mond ist von ganz alleine weitergezogen, und die Sonne scheint schon wieder."

Die Kinder tauschten grinsend Blicke aus. Sie wußten es natürlich besser!

 

Ende dieses Abenteuers

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