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Perspektiven

von Verrath

Wie gewöhnlich zog es Gabrielle vor, zu Fuß zu gehen, während die schweigsame Kriegerin neben ihr herritt. Xena war in den letzten Tagen besonders schlecht gelaunt gewesen. Gabrielle konnte es Ihr nicht verübeln, war doch die letzte Woche eine einzige lange Kette von Situationen gewesen, in denen sie nur ein paar Momente zu spät gekommen waren, um eine wirkliche Hilfe zu sein. Dabei wären Sie mehrere Male dringend gebraucht worden...

Zuerst waren sie durch ein kleines Dorf gekommen, kurz nachdem eine Bande von Plünderern es überfallen hatte. Dort konnten die beiden nur noch helfen, die restlichen Feuer zu löschen und die Toten zu beerdigen. Natürlich hatten die Kriegerin und die Bardin sofort die Spur der Verbrecher aufgenommen, aber sie konnten den Abstand zu ihnen einfach nicht verringern. Starker Regen verwischte die Spuren bis zur Unkenntlichkeit, und dann verlor Argo zu allem Überfluß auch noch ein Hufeisen, so daß die beiden einen Umweg über das nächstgelegene Dorf machen mußten, um die Stute neu beschlagen zu lassen.

Das nächste Dorf im Weg der Verbrecher bot ein ähnliches Bild wie das erste, aber den Göttern sei Dank, dort gab es keine Toten zu beklagen. Schließlich schafften die Freundinnen es doch endlich, die Banditen einzuholen - Xena war mittlerweile ziemlich gereizt und Gabrielle konnte nur noch an Rast, Essen und Schlaf denken. Aber die Bande entdeckte die beiden, bevor Xena ihren geplanten Überraschungsangriff in die Tat umsetzen konnte - Gabrielles Schuld, weil sie wieder einmal zu laut gewesen war, wie sie zerknirscht zugeben mußte. Sie waren in einen Hinterhalt geraten. Der darauffolgende Kampf half sehr, um einige aufgestaute Frustration loszuwerden. Aber während sie damit beschäftigt waren, ihre Angreifer tüchtig zu verprügeln, verstreute sich der Rest der Bande in alle Winde. Ohne Zweifel würden sie sich an einem Ort wieder treffen, wo es nicht so viele gefährliche Frauen gab. Wieder einmal zu spät...

Der ständige Regen, die kalte, durchnäßte Kleidung und der beißende Wind taten ihr Übriges, um die Stimmung zu drücken.

Also hatten die beiden Kameradinnen sich geeinigt, sich in einem Gasthaus einzumieten und die Nacht ausnahmsweise einmal unter einem Dach zu verbringen. Sie erreichten die nächste Stadt gerade nachdem die Tore für die Nacht geschlossen worden waren. Schon wieder zu spät. Es half nicht, das Xena frustriert gegen die Tore hämmerte, und Gabrielle hatte Mühe, die Kriegerprinzessin davon abzuhalten, die Stadtmauern in Stücke zu zerlegen!

Doch am schlimmsten war es diesen Morgen gekommen, als Xena sich in einen reißenden Fluß gestürzt hatte, um ein Kind vor dem Ertrinken zu retten. Sie hatte gekämpft wie ein Löwe, um den Jungen zu erreichen, aber am Ende konnte sie den erschütterten Eltern nur einen schlaffen, toten kleinen Körper zurückbringen. Schon wieder zu spät.

Nach solch einer Woche fühlte sich auch Gabrielle miserabel, aber sie wußte nur zu gut, daß es für ihre kriegerische Freundin noch viel schlimmer sein mußte, neigte sie doch dazu, alle Verantwortung auf ihre eigenen Schultern zu nehmen. Auch dann, wenn sie alles menschenmögliche getan hatte, und noch ein bißchen mehr.

Sie hatte versucht, ein paar tröstende Worte zu finden, aber Xena, ganz die mürrische, unverwundbare Kriegerin, hatte nur schroff abgewunken. Gabrielle war ganz sicher daß eine feste Umarmung wahre Wunder für die Kriegerin - und für sie selbst - vollbracht hätte, aber das kam natürlich nicht in Frage. Also marschierte sie nur ebenso mürrisch neben ihrer Kameradin her, nachdem sie ein paarmal versucht hatte, die Stimmung mit ein paar Geschichten aufzuheitern, um dabei kläglich zu versagen.

Und der Regen wollte nicht aufhören zu fallen.

Zu solchen Zeiten fragte sich die junge Bardin immer wieder, wieso sie sich immer noch mit der ehemaligem Kriegsherrin abgab. Xena war oft aufbrausend und mürrisch, und an ihren weniger guten Tagen feindselig und sogar regelrecht kalt. An solchen Tagen konnte Gabrielle der Kriegerin einfach nichts recht machen. Xena schaffte es immer wieder, daß sie sich inkompetent und fehl am Platz fühlte, und das tat jedesmal aufs Neue weh. Und die Kriegerin schien sich dessen nicht einmal bewußt zu sein.

Aber einmal hatte sie doch Xenas Seite verlassen, um zurück nach Hause zu ihrer Familie zu gehen und dort ein neues Leben anzufangen. Bis heute erschreckte es sie, wie weh ihr damals die Trennung getan hatte. Niemals hätte sie mit einem solchen Kloß im Hals gerechnet... Und war Xena nicht aus dem Nichts aufgetaucht, wie ein Schutzengel, gerade als sie ihre Hilfe so dringend gebraucht hatte? Als ob die Kriegerin geahnt hätte, daß Gabrielle in Schwierigkeiten geraten würde. Die Freude, die sie beim Wiedersehen mit Xena verspürt hatte, hatte sehr wenig damit zu tun, daß ihre Freundin ihr wieder einmal gerade noch rechtzeitig das Leben gerettet hatte.

Nein, sie mußte zugeben, daß ihre Gefühle für die Kriegerin tief reichten. Und Xena hatte ihr mehr als nur einmal gezeigt, daß auch sie eine tiefe Bindung zu der Bardin verspürte. Selbstverständlich würde die Kriegerprinzessin sich lieber die Zunge abbeißen, als das zuzugeben, da war sich Gabrielle ganz sicher.

Natürlich hatte Xena auch heitere Momente, und die waren um so wertvoller, weil sie so selten waren. In letzter Zeit durfte Gabrielle sogar manchmal den Menschen unter dieser rauhen Schale sehen, wenn auch nur für kurze Augenblicke. Sie vermutete, das sich hinter dem harten Kriegsherrinnen-Gehabe eine warmherzige, witzige und wunderbare Frau versteckte, und sie war fest entschlossen, sie auszugraben.

Irgendwie verspürte sie auf einmal das Verlangen, der stillen Kriegerin nah zu sein, und sie sah auf zu ihr.

"Hast du was dagegen, wenn ich ein Stück mit dir reite?"

Eisblaue Augen weiteten sich leicht in Erstaunen, aber Xena reichte der kleineren Frau wortlos ihren Arm und zog sie hinter sich aufs Pferd. Gabrielle staunte wieder einmal über die gewaltige Kraft in diesen muskulösen Armen, und die scheinbare Leichtigkeit, mit der sie in die Luft gehoben wurde.

Irgendwie fand sie einen halbwegs bequemen Platz zwischen dem Sattel und den diversen Satteltaschen, und dann schlang sie ihre Arme um Xenas Taille. Sie brauchte schließlich etwas, woran sie sich festhalten konnte...

Der Kontakt ließ Xena für einen Moment erstarren, aber dann entspannte sie sich wieder, soweit man von Entspannung reden konnte bei jemandem, der ständig wachsam und angespannt war. Gabrielle drückte sich ein wenig fester an sie und war überrascht, als sich die Muskeln in Xenas Rücken noch mehr zu lockern schienen. Sieh mal an, dachte sie, so langsam dringe ich wirklich durch deine Verteidigung, nicht wahr meine Freundin?

"Hey, wenn du noch ein bißchen fester drückst, kriege ich keine Luft mehr!"

Hoppla! ich habe gar nicht gemerkt, daß ich das tue... Xena klang ruhiger und gefaßter als in den Tagen zuvor, und ein bißchen... was? Amüsiert? Mit Sicherheit. Aber da schwang noch etwas anderes in ihrer Stimme mit, das Gabrielle nicht recht einordnen konnte. Die Bardin spürte, daß sie rot wurde, und sie löste ihre Umarmung. Aber nur ganz wenig.

"Ähm... 'Tschuldigung!"

Sie spürte, wie die Kriegerin lautlos lachte. Na ja, wenigstens hat es sie ein bißchen aufgemuntert. Ich hoffe nur, sie spürt die Hitze nicht, die von meinem Gesicht ausgeht!

Xena erstarrte plötzlich und brachte Argo zum Stehen. Fünf stämmige, sehr sehr schmutzig aussehende Männer brachen hinter einigen Büschen hervor. Sie waren bewaffnet mit Schwertern, Knüppeln und Stäben. Xena seufzte frustriert, und schwang sich gewandt aus dem Sattel. Sie landete mit ihrem Schwert in der Hand, ein wildes Funkeln in ihren Augen.

"Bleib da," warf sie über ihre Schulter, bevor sie sich zwischen Gabrielle und den Männern plazierte.

Fünf gegen eine, überlegte Gabrielle, ich frage mich...nein, da wird sie meine Hilfe wohl nicht brauchen.

Der offensichtliche Anführer grinste die beiden an und zeigte dabei einen Mund voller Zahnlücken. "Guckma da, was habtn Ihr Mädels so allein hier zu suche? Die Gegend hier is viel zu gefährlich für euch."

Das glaube ich nicht, antwortete Gabrielle im Stillen, und richtete einen vertrauensvollen Blick auf ihre Kameradin.

"Wir suchen keinen Ärger. Also, wenn ihr jetzt brav den Weg freimacht, dann wird niemand verletzt werden," sagte Xena ruhig. Gabrielle dacht flüchtig daran, daß sich ihre Freundin vor noch nicht allzu langer Zeit nicht die Mühe gemacht hätte, die Wegelagerer zu warnen.

Scheinbar waren diese Kerle nicht von der intelligentesten Sorte. Es war leicht zu sehen, daß sie reif für eine Tracht Prügel waren. Gabrielle war ein wenig schockiert darüber, daß sie sich tatsächlich auf die bevorstehende Show freute. Aber sie konnte sich nicht helfen. Während die meisten Wegelagerer schmutzige, derbe Gesellen waren, waren diese hier geradezu abstoßend. Sie erschauerte beim Anblick der gierigen Blicke, die einige der Männer über sie und Xena gleiten ließen. Und natürlich war da auch noch der aufregende Gedanke daran, den schlanken, muskulösen Körper der Kriegerprinzessin bei der Arbeit zu sehen...

"Aber aber, mei Täubche, wer hat denn was von verletze gesacht? Mir suche doch nur e bissl Unterhaltung."

Beinahe hätte Gabrielle laut herausgelacht. Wer er Xena so nannte, der suchte mit Sicherheit "Unterhaltung"!

Stille Signale wurden unter den Männern ausgetauscht, und als eine Gruppe näherten sie sich der Kriegerin, die ihren markerschütternden, schrillen Kampfschrei ertönen ließ und mit einer Explosion von Tritten und Schwerthieben in Aktion trat. Gabrielle sah fasziniert zu, wie Xena sich drehte, parierte, und abwehrte, wobei sie alle fünf mit scheinbarer Leichtigkeit auf Armeslänge entfernt hielt. Dabei gab sie niemals ihre Position zwischen Gabrielle und den Angreifern auf.

Die Bardin mußte nach einer Weile erkennen, daß sie überdurchschnittliche Kämpfer waren. Vielleicht nicht als Einzelpersonen, aber die Art, wie sie als Team gegen Xena vorgingen und sich gegenseitig ergänzten sprach von einiger Erfahrung.

Sie sah, wie Xena kurz innehielt und ihren Kopf herumwarf, um an Gabrielle vorbei in die Büsche zu sehen. Ihre Augen weiteten sich.

"Gabrielle, paß auf!" Dann verlangte der Kampf vor ihr wieder ihre Aufmerksamkeit.

Gabrielle kannte die Übung. Sie sprang vom Pferd - vielleicht nicht so schnell oder so elegant wie ihre Freundin - ihren Stab in der Hand und den Blick dahin gerichtet, wo Xena hingesehen hatte. Drei weitere Männer hatten versucht, sich von hinten anzuschleichen. Gabrielle murmelte einen Fluch der ihr normalerweise die Schamesröte ins Gesicht trieb, wenn sie ihn von der Kriegerprinzessin hörte. Drei große, muskelbepackte Männer, bewaffnet mit Stäben und einer gefährlich aussehenden Streitaxt. Die junge Bardin erkannte sofort, daß sie hoffnungslos unterlegen war. Und ihre Freundin war mehr als zehn Schritte entfernt und konnte sich im Moment nicht von den fünfen lösen. Etwas, das Xena einmal zu ihr gesagt hatte kam ihr auf einmal wieder in den Sinn:

Wenn es aussichtslos erscheint, dann denke nicht an deine Grenzen. Konzentriere dich auf das, was du weißt. Es ist erstaunlich, was man erreichen kann wenn man sich weigert zuzugeben, was man nicht kann

Und sie mußte es ja wissen. Na ja, das hier wird sicher ein Kinderspiel. Los geht's! Sie warf sich den dreien tollkühn entgegen und schaffte es sogar, sie einige Schritte zurückzudrängen und einen Treffer auf einer Nase zu landen bevor sie sich von ihrem Schock erholten. Ihr Stab wirbelte wild durch die Formen, die die Kriegerin ihr mit erstaunlicher Geduld beigebracht hatte, und zu Gabrielles Überraschung schien sie tatsächlich keine schlechte Figur abzugeben. Wenn sie jetzt nur durchhalten konnte, bis Xena-

Eine Bewegung in ihrem Augenwinkel war die einzige Warnung. Etwas traf sie krachend am Kopf, dann durchzuckte sie ein scharfer Schmerz wie ein gleißendes Licht, und sie hörte Xena aus weiter Ferne schreien. "Gabrielle!"

Und dann völlige Dunkelheit. Leere.

***

"Xena? Bist du da, Xena?"

Eine Hand griff nach ihrer.

"Ich bin hier, Gabrielle."

"Oh ihr Götter, es ist so dunkel hier. Ich kann überhaupt nichts sehen. Was ist passiert?"

Es dauerte eine Weile, bevor die Kriegerprinzessin antwortete. "Wir sind tot. Ich kam zu spät, um dir zu helfen, und als ich dich fallen gesehen habe, da bin ich... na ja, es hat meine Konzentration gestört. So bin ich auch hier gelandet."

"Aber wo...?"

"Wir sind im Moment im Limbo."

"Wir sind tot? Aber...?

"Es ist wahr Gabrielle. Es tut mir leid. Ich habe versagt. Ich war schon wieder zu spät."

"Aber wieso sind wir hier, im Limbo? Ich meine, eigentlich sollten wir doch... irgendwohin gehen. Wie...?" Dann begriff sie plötzlich. "Oh bei allen Göttern, Xena... nein! Bitte sag, daß es nicht so ist!"

Wieder war es lange still. "Doch. Es tut mir leid, aber wir gehen nicht an den selben Ort. Das hier ist unser Lebewohl."

"Nein. Auf gar keinen Fall. Ich gehe hin, wo du hingehst."

"Nein, Gabrielle," war die sanfte Antwort, "wenn du im Tartarus wärst, dann wäre das für mich die allergrößte Qual. Und du weißt, daß das nicht geht."

"Aber da ist noch so viel, was ich dir sagen wollte."

"Gabrielle, du brauchst nichts zu sagen."

Gabrielle fühlte, wie sich die Verzweiflung wie eine schwarze Hand um ihren Hals legte. "Aber siehst du denn nicht? In den Elysischen Gefilden zu sein, für immer ohne dich, das ist eine größere Qual als alles, was Hades sich ausdenken könnte. Ich brauche dich, Xena. Ich... was ist los?"

Xenas Hand fühlte sich plötzlich kälter an, und nicht mehr so fest.

"Wir werden zu unseren neuen Zuhausen gezogen. Bitte, Gabrielle, verzweifle nicht!"

"Xena!"

"Gabrielle, du wirst für immer in meinem Herzen sein. Und wenn die Foltern besonders schlimm werden, dann werde ich es besser ertragen können weil ich weiß, daß du dort oben bist. Man sagt, daß die Toten ein gutes Gedächtnis haben. Ich werde dich niemals vergessen. Ich liebe dich, Gabrielle. Schon lange."

"Xena, Ich -"

Xenas Hand war jetzt nicht mehr als ein leichter Nebel, der über ihre eigene strich.

"Ja Gabrielle, sag es." Selbst ihre Stimme klang verschwommen.

"Geh nicht! Ich brauche dich." Von irgendwoher kam ein schwacher Lichtschein.

"Bitte, Gabrielle, sprich es aus," flehte Xena. Das Licht wurde heller und schien gleißende Fühler nach der Bardin auszustrecken.

Gabrielle schrie die Worte. "Ich liebe dich, Xena!"

Blink.

***

Mit einem Schrei erwachte Gabrielle aus dem Alptraum. Sie konnte sich kaum an den Traum erinnern, außer, daß er irgendwie etwas mit Xena zu tun gehabt hatte, und daß sie irgendwie auseinandergerissen worden waren. Der Gedanke daran tat noch immer weh. Sie stand auf, um das Feuer zu schüren, und erstarrte. Sie war allein. Es gab kein Lager, nur den harten Waldweg, und ein kleiner Graben, der an dessen Seite verlief und in dem sie geschlafen hatte. Es war ihr ein wenig schwindelig, und sie sah Bilder eines Kampfes vor ihrem inneren Auge. Irgendwer hatte sie mit einem Kampfstab am Kopf getroffen, oder so etwas ähnliches. Sie schluckte einige Male, um den faulen Geschmack in ihrem Mund loszuwerden.

Wo war Xena nur? Sie war zwar manchmal schroff und mürrisch, aber sie war immer zuverlässig gewesen wenn es hart auf hart kam. Sie hätte Gabrielle niemals wehrlos hier zurückgelassen. Oder? Die Bardin mußte zugeben, daß es immer noch die dunkle Seite ihrer Freundin gab, zu der sie keinen Zugang fand, Motivationen, die sie einfach nicht verstehen konnte. Aber sie konnte einfach nicht glauben, daß Xena sie einfach so verlassen hatte.

Sie unterzog den Waldweg einer gründlichen Untersuchung und fand auch bald Argos Hufabdrücke. Sie waren leicht zu erkennen, weil die Stute vor Kurzem links hinten neu beschlagen worden war.

"Sie wäre sicher stolz auf mich," sagte Gabrielle. "Gar nicht schlecht, das alles auf einer so vielbereisten harten Straße zu erkennen." Sie grinste. "Gar nicht schlecht für eine kleine naive Möchtegern-Bardin. Gar nicht schlecht, jawohl!" Sie marschierte entschlossen in die Richtung, in die die Spur verlief. Dabei sang sie leise vor sich hin, um das plötzliche Gefühl der Einsamkeit zu übertönen.

Als sie ein großes, freies Feld erreichte, hielt sie entsetzt an. Hier hatte vor Kurzem eine Schlacht stattgefunden. Der Boden war aufgewühlt, tote Männer und Pferde lagen überall, und in der Luft hing der leicht metallische Geruch von Blut. Gabrielle kämpfte gegen die aufsteigende Übelkeit an. Dafür war jetzt keine Zeit! Es war auch keine mitfühlende Kriegern da, die ihr eine beruhigende Hand auf die Schulter legte und für sie den Schutzwall aufbaute, der der Bardin so sehr half, solche Erfahrungen zu ertragen. Denn solche Dinge passierten nun einmal, wenn man mit einer Kriegerin unterwegs war. Gabrielle war sich sicher, daß Xena gar nicht wußte, wie sehr sie ihr mit ihren kleinen Gesten über diese Vorfälle hinweghalf.

Argos Spuren führten direkt in das Schlachtfeld hinein. Trotzdem kam es Gabrielle nicht für einen Augenblick in den Sinn, unter den Toten nach ihrer Freundin zu suchen. Statt dessen versuchte sie, die kaum erkennbaren Spuren zu deuten und herauszufinden, wo das Zentrum der Kämpfe gewesen war. Und dann sah sie den großen Felsen einige Dutzend Schritte entfernt. Er hatte eine kleine, seltsame Kerbe, etwa auf Kopfhöhe. Eine Markierung, wie sie ein scharfer Gegenstand machen würde, der mit großer Wucht auf den Stein prallte.

"Chakram."

Ihre eigene Stimme klang unheimlich und laut in der Totenstille des Schlachtfeldes, und darum entschloß sie sich kurzfristig, alle Selbstgespräche erst einmal sein zu lassen. Sie näherte sich dem Felsen. Hier mußte ein ziemlich heftiger Kampf stattgefunden haben! Die Vorderseite des großen Steins war blutverschmiert und ungefähr zwei Dutzend Soldaten lagen tot in einem ordentlichen Halbkreis um ihn herum. Eine tote Gestalt saß an den Felsen gelehnt, ein Zweihänderschwert noch immer fest umklammert. Der Kopf der Leiche fehlte.

Für einen Moment hielt Gabrielle den Atem an. Sie kannte nicht viele Menschen, die auch nur halb so viele Angreifer in Schach halten konnten. Aber dann sah sie, daß die Leiche männlich war. Der Kopf war fein säuberlich von einer scharfen Klinge abgetrennt worden. Es brauchte kein Genie, um die Identität dieses Objektes zu erraten, und dieser Gedanke gefiel Gabrielle kein bißchen. Auf welcher Seite war Xena hier gewesen? Wer waren hier eigentlich die guten gewesen, und wer die bösen? In jedem Fall war Xena hier gewesen, und dieser kopflose Tote mußte ihr Werk gewesen sein. Die Barding erschauerte. Es war ihr mehr als nur unangenehm wenn die dunkle Seite der Kriegerprinzessin zum Vorschein kam.

"Suchst Du jemanden?"

Die vertraute, aber irgendwie fremd klingende Stimme ließ Gabrielle herumfahren. Sie ärgerte sich, daß sie nicht wachsamer gewesen war, aber trotzdem war sie froh, diese Stimme zu hören.

"Xena! Ich habe dich überall gesucht. Ich bin aufgewacht, und du warst weg. Was... ist hier passiert?" Irgend etwas war hier nicht in Ordnung. Irgend etwas...

"Na ja, mußte mich entscheiden. Hab mich entschlossen, den Jungs hier zu helfen." Es war nichts menschliches in diesen blauen Augen. Gabrielle lief ein Schauer über den Rücken. "War auch ganz gut so." Die Kriegsherrin tätschelte den Sack, den sie über ihre Schulter geworfen hatte. Darin war ein großer runder Gegenstand. Ein feuchter roter Fleck färbte seine Unterseite. "Auf den hier ist ein nettes Kopfgeld ausgesetzt." Sie legte besondere Betonung auf das Wort 'Kopf' und lachte kalt. Gabrielle wurde erneut übel, als ihr klar wurde, was in diesem Sack sein mußte. Sie fühlte sich schwindelig. Das konnte nicht sein! Das hier war nicht ihre Xena. Diese Frau war ein Ungeheuer! Für einen Augenblick lang verspürte sie das Verlangen einfach wegzurennen, zu rennen bis ihre Lungen versagten und sie einfach tot umfiel. Hier war eine Szene aus ihren schlimmsten Alpträumen - die Xena von damals, die schreckliche Kriegsherrin, die sich halb Griechenland unterworfen hatte, war zurückgekommen. Sie taumelte einige Schritte, denn sie fühlte sich plötzlich sehr schwach. Eine starke Hand griff unsanft nach ihrem Arm.

"Das können wir jetzt nicht gebrauchen, Mädchen. Na ja, wenn du schon mal hier bist, nehme ich dich wohl besser mit ins Lager." Sie pfiff, und Argo kam angetrabt. Gabrielle streichelte die weiche Nase der Stute, dankbar für das vertraute Gesicht. Es schien, als war die goldene Stute ebenso verstört über Xenas plötzliche Sinneswandlung.

"Hoch mit dir," sagte Xena, als sie die Bardin spielend aufs Pferd hievte und dann selbst mit einem eleganten Schwung hinter ihr im Sattel landete. Sie trieb Argo zu einem leichten Galopp.

Unzählige Gedanken schwirrten durch Gabrielles Kopf. Dies war eine völlig Fremde. Die Xena, die sie kannte, war schroff, distanziert, wirkte manchmal vielleicht sogar kalt, aber sie war niemals so - unmenschlich. Diese Frau war wie ein Golem, eine von Magie bewegte Puppe aus totem Material. Gabrielle wartete vergeblich auf das Gefühl von warmer Geborgenheit, das sie jedesmal verspürte, wenn sie Xena so nah war. Was ging hier nur vor? Wieder war da etwas am Rande ihres Bewußtseins, ein Gedanke, den sie nicht ganz greifen konnte.

Das 'Lager' befand sich in einer kleinen ummauerten Siedlung. Die Bewohner drückten sich verängstigt an den Wänden entlang, und einige versteckten sich sogar, als sie Xena sahen. Überall waren Soldaten, rauhe Kerle, die Xena respektvoll grüßten, als sie vorbei ritt. Einige waren dabei, ihre Rüstung zu flicken, oder sich um ihre Pferde zu kümmern. Viele von ihnen tranken, oder spielten. Einige der Mädchen aus dem Dorf wurden zu Diensten gezwungen, die sie sicherlich nicht freiwillig geleistet hätten. Gabrielle war entsetzt.

"Xena, was soll das Ganze hier?" Sie wartete, daß die Kriegsherrin absaß und ihr eine Hand reichte, um ihr vom Pferd zu helfen. Die Hand jedoch ließ auf sich warten, und so sprang Gabrielle ohne Hilfe zu Boden. Sie warf Xena einen Blick zu, den diese mit kaltem Amusement beantwortete. "Diese armen Leute haben Angst vor dir, Xena! Wie ist das...? Du hast dich doch verändert, oder? Du hast all dem hier den Rücken zugekehrt... oder? Das ist nicht deine Art." Gabrielle fuhr mit leiser Stimme fort. "Ich sehe etwas anderes in dir."

Die Kriegsherrin zog eine Augenbraue hoch. "Und, was siehst du denn dann in mir, kleines Mädchen?"

Gabrielle sah Xena lange und durchdringend an. Sie sah in diese gletscherblauen Augen so tief sie konnte. Aber sie fand keine Spur von Gefühl. Ihre Augen brannten, aber sie schluckte die Tränen herunter, so gut es ging. Dieses...Biest... durfte sie nicht weinen sehen.

"Ich sehe überhaupt nichts mehr," sagte Gabrielle leise. "Ich habe einmal eine Frau gesehen, die sehr schwere Zeiten durchgemacht und sich nach vielen Jahren Dunkelheit zurück ans Licht gekämpft hat. Eine schreckliche, von allen gefürchtete Kriegsherrin, die plötzlich erkannte, wie böse sie war. Und sie hat dem, was sie einmal war, den Rücken zugekehrt und versucht, ganz von vorne anzufangen. Das war das wundervollste und mutigste, was ich jemals gesehen habe, und ich habe dich dafür bewundert und geliebt. Es war vielleicht nicht viel, aber ich war bereit, dir in diesem Kampf zu helfen, wo ich nur kann. Es sieht wohl so aus, als ob ich versagt habe. Aber vielleicht mußte es ja so kommen. Vielleicht war ich schon zu spät."

"Zu spät," murmelte Xena nachdenklich. Sie sah durch Gabrielle hindurch, ihre Stirn in Falten gezogen. Nie zuvor war der Bardin aufgefallen, wie hart die Linien um Xenas Mund und Augen waren. Die Kriegerin sah alt und abgekämpft aus, und verbraucht. Trotz allem spürte Gabrielle, wie ihr Herz aufs neue für die stoische Kriegerin zu schlagen anfing. Vielleicht hatte sie zuvor versagt, aber sie würde Xena niemals im Stich lassen. Sie würde an ihrer Seite stehen, egal was passierte, und ob Xena nun wollte oder nicht. Egal, ob es sie überhaupt interessierte. Die Kriegerin wußte es sicher nicht, aber Gabrielle spürte plötzlich, daß sie der Schlüssel zu Xenas Seelenheil war. Und das konnte sie Xena nicht verweigern, auch wenn ihre Freundin sich benahm... wie sie sich eben jetzt benahm.

"Schon wieder zu spät," wiederholte Xena, "schon wieder zu spät," als ob sie damit etwas von sich abwenden wollte.

Da war es schon wieder, dieses komische Gefühl im Bauch. Irgendwas stimmte hier nicht. Es war nur eine Kleinigkeit...

"Xena," sagte sie unvermittelt, "Was siehst du in mir?"

Die Augen der Kriegerin richteten sich auf die Bardin und starrten sie durchdringend an. Es kam Gabrielle so vor, als ob der Blick dieser unglaublich kalten, blauen Augen bis tief in ihre Seele drang. Xena verzog ihr Gesicht einem traurigen Lächeln. "Eine junge Bardin mit sehr viel Talent. Eine Unschuldige. Eine wunderschöne Frau. Eine Verrückte, die trotz allem zu mir hält. Meine Freundin." Ihre Lippen legten sich umständlich um das Wort, als ob sie es zum ersten Mal ausgesprochen hätten. Dann kam ein Ausdruck von fassungsloser Verwunderung über ihr Gesicht, als ihr Mund lautlos ein weiteres Wort formte. Geliebte.

Gabrielle sah die Kriegsherrin traurig an. Ihre Gedanken rasten und eine Welle von Schuldgefühlen schwappte über sie hinweg. Meine Liebste, was ist nur aus dir geworden? Ich hätte das verhindern müssen. Irgendwie. Aber ich bin ja noch hier. Ich kann es weiter versuchen. Und ich werde es weiter versuchen. Weil du mich brauchst. Weil ich dich liebe.

Blink.

***

Gabrielle öffnete ihre Augen zögernd einen Spalt breit. Sie blinzelte in helles Sonnenlicht, das einen stechenden Schmerz durch ihren Kopf zucken ließ. Mit einem leisen Stöhnen sah sie sich um und blickte direkt in ein paar gletscherblaue Augen, die sie besorgt und voller Erleichterung ansahen. Xenas Augen waren gerötet, und ihre Lider sahen schwer aus.

"Hey," krächzte Gabrielle, "wie lange war ich weg?" Oh Xena, vergib mir. Ich habe dich im Stich gelassen... Woher war dieser Gedanke gekommen?

"Paar Tage. Wie fühlst du dich?"

"Tut ganz schön weh."

"Das glaube ich. Du hast da einen ganz guten Schlag abbekommen. Aber du wirst dich bald besser fühlen."

Gabrielle nickte nur.

"Na ja, sieht so aus, als hätte ich dich in einem Stück wieder." Xena lächelte. "Den Göttern sei Dank. Ich hätte mir das sonst niemals verzeihen können. Ich war zu spät, um dich zu beschützen. Schon wieder..." Sie wurde ernst. "Eine Zeitlang habe ich gedacht, ich würde dich verlieren. Du warst im Delirium. War schlimm, was?"

"Das kannst du laut sagen," sagte Gabrielle, und versuchte, sich aufzusetzen. "Xena, Ich-"

Xena drückte sie sanft in die Decken zurück. "Nein, Gabrielle, sag jetzt nichts." Die Kriegerin legte leicht einen Finger auf Gabrielles Mund, und strich sanft über ihre Lippen. "Ich dachte wirklich, daß du... Ich konnte den Gedanken nicht ertragen, vielleicht nie wieder in deine Augen zu schauen. Und die ganze Zeit konnte ich nur daran denken, wie mies ich dich behandelt habe, und das ich dir vielleicht nicht mehr sagen kann, wie viel du mir bedeutest. Und wie leid es mir tut."

"Das weiß ich, Xena. Du brauchst mir das nicht zu sagen."

"Gabrielle, du verstehst mich nicht. Was ich damit sagen will ist-"

"Xena, ich verstehe. Glaub mir." Sie strich mit ihren Fingerspitzen leicht über Xenas Wange. Die Kriegerin legte ihre Hand über die der Bardin und drückte sie fester an sich. Sie lächelte.

"Ich glaube dir."

"Du bist wunderschön wenn du lächelst, weißt Du das?"

Xena küßte Gabrielles Handfläche. Tränen standen in ihren Augen, als sie leise sprach. "Ich weiß nicht, was ich gemacht hätte, wenn du... Ihr Götter, ich bin so froh, daß du da bist." Sie beugte sich hinunter, und, mit unendlicher Zärtlichkeit, berührte die Lippen der Bardin mit den ihren.

"Ich liebe dich, Gabrielle. Schon lange."

Gabrielles Hände hielten den Kopf der Kriegerin fest, als sie den Kuß erwiderte.

"Ich liebe dich, Xena."

***

Fühlte es sich so an, wenn man starb? Man fühle sich unglaublich leicht, als ob man auf einem weichen Kissen aus nichts schwebte. Vielleicht war es auch nur ein Geisteszustand, eine andere Bewußtseinsebene. Egal was es war, es war wunderbar. Langsam wurde ihr ihre Umgebung bewußt. Da war ihr eigener Körper, der blaß und reglos und schwer verwundet eine Armeslänge unter ihr lag. Das rotgoldene Haar war von Blut verklebt, und ein feuchtes Leinentuch war um ihren Kopf gelegt. Sie spürte, wie sie noch immer mit ihm verbunden war, wie durch einen hauchdünnen, seidenen Faden, der ihr Bewußtsein hier festhielt und ein Teil ihrer Seele zu sein schien. Alles, was sie tun mußte, um zurückzukehren, war zu atmen, und sie wußte, daß das in ihrer Macht stand. Alles, was sie tun mußte, um diese letzte Verbindung zu zerreißen, war ein kleiner Ruck. Auch das stand in ihrer Macht, das wußte sie auch.

Xenas große, dunkle Gestalt saß neben ihr, einen Ausdruck von absoluter Hilflosigkeit in ihrem Gesicht und ihrer ganzen Haltung, der Gabrielle fast das Herz brach. Die Hälfte der Wegelagerer lag tot einige Schritte entfernt. Aasvögel hatten sich schon auf ihnen niedergelassen. Ein anderer lebte und sah relativ unverletzt aus, aber er war bewußtlos. Auch er war für den Augenblick vergessen. Von den restlichen fehlte jede Spur. Die dunkelhaarige Frau hatte sich nicht die Zeit genommen, die Toten zu begraben oder sich um den Verletzten zu kümmern. Sie hatte eine von Gabrielles Händen in ihre eigene genommen und hielt sie fest an ihre Wange gedrückt. Selbst von dort wo sie war, fühlte Gabrielle die salzige Nässe von Xenas vergossenen Tränen auf ihrer Haut, und nahm den leichten, Xena eigenen Geruch wahr, vermischt mit dem von Leder und der Kräutermischung, die sie immer auf kleine Verletzungen tat. Es war, als ob Gabrielles Sinne empfindlicher als sonst waren. Sie konnte den leisesten Windhauch auf ihrer Haut spüren, sie konnte die winzigen Furchen in Xenas ledernem Kleid sehen und jeden kleinen Kratzer in der Rüstung der Kriegerin. Selbst die feinen, seidigen Härchen auf Xenas Armen. Und sie konnte das Atmen der Kriegerin hören, das starke, gleichmäßige Schlagen ihres Herzens und das leise, hohe Pfeifen, das der leichte wind erzeugte, wenn er durch das dunkle Haar ihrer Freundin strich.

"Oh, Gabrielle, Gabrielle, bitte verlaß mich nicht," flüsterte Xena gerade. "Du weißt verdammt gut, daß ich dich hier brauche. Wenn du nicht gewesen wärst, wo wäre ich dann? Ich hatte schon aufgegeben, bevor du in mein Leben gekommen bist. Da war so viel Dunkelheit in mir, und du bist einfach gekommen, hast die Vorhänge zurückgezogen und Licht reingelassen. Du hast nicht nur meine Richtung geändert - du hast meine ganze Welt auf den Kopf gestellt. Ich versuche immer noch, damit klarzukommen, Gabrielle. Du mußt mir helfen, da durchzukommen. Ich brauche dich." Sie küßte die Hand an ihrer Wange sanft, und holte zitternd Luft. Gabrielle war gebannt. Sie versuchte, ihre Hand zu bewegen und nach der Kriegerin auszustrecken, ihr zu sagen, daß sie doch hier war, und daß sie sie niemals verlassen würde. Aber ihr Körper gehorchte ihr nicht.

"Ich weiß ja nicht, ob du mich hören kannst, Gabrielle, aber wenn du es kannst, ich..." Sie schloß ihre Augen für einen Augenblick, als ihre Stimme versagte. "Ich weiß nicht, ob ich es überlebe, wenn ich dir nie mehr wieder in die Augen sehen kann. Ich hoffe, du weißt, wie viel du mir bedeutest, liebste Bardin. Ich habe es dir nämlich noch nie gesagt. Ich liebe dich mehr als alles andere. Wenn du... wenn dich das hier umbringt, dann... Ihr Götter!!! Oh wenn ihr jetzt zuhört, irgend jemand von euch, ich weiß, daß ich mehr als genug getan habe, um das hier zu verdienen. Aber bitte, laßt nicht sie dafür sterben! Wenn ihr ein Leben nehmen müßt, dann nehmt meins. Hundert Ewigkeiten im Tartarus sind kein zu hoher Preis dafür, daß sie lebt."

Gabrielle fühlte, wie etwas an ihr zu ziehen begann. Die hauchdünne Verbindung zu ihrem Körper straffte sich. Es war wundervoll. Sie mußte sich nur lösen... Aber sie wollte so gerne den Schmerz in diesen blauen Augen verschwinden lassen. Sie wußte, daß sie allein Schuld an diesem Schmerz war, und es erfüllte sie mit freudiger Verwunderung und tiefer Trauer. Sie konnte diese gebeugten Schultern wider aufrichten, oder sie konnte eine Last auf sie laden, die diese tapfere, tapfere Kriegerin niemals würde tragen können. Irgendwo in ihrem Bewußtsein jammerte eine kleine Stimme, sie solle doch endlich loslassen, und frei sein. Das Verlangen, diesen sterblichen Körper, der sie noch hier hielt, abzustreifen, wurde schier unerträglich. Ein brennendes Verlangen, das sich in ihr öffnete wie eine junge Knospe.

Xena war plötzlich ganz starr und still geworden. Sie starrte auf den Brustkorb ihrer Freundin, der sich bis vor einem Moment noch leicht gehoben und gesenkt hatte. Hastig griff sie nach Gabrielles Handgelenk, um nach dem Puls zu suchen, dann legte sie ihre Hand an den Hals der Bardin und tastete verzweifelt, ihr Atem plötzlich ein angsterfülltes Keuchen.

"Oh nein, Gabrielle, du wirst nicht sterben," schrie sie und ballte ihre Hand zu einer Faust, die sie heftig auf das Brustbein der Bardin schlug, immer wieder. Sie bedeckte den kleinen Mund mit ihrem eigenen und blies Luft in die Lungen der Bardin. "Atme, verdammt nochmal, Atme!" Jetzt schluchzte sie unkontrolliert, aber Xena hörte nicht auf, auf den Brustkorb der Bardin einzuhämmern und ihr mit ihren Lippen Luft zu spenden.

Oh ihr Götter, ich möchte so gerne sehen, was da oben ist! Dieses Gefühl ist so... wunderschön! Die Verbindung zu ihrem Körper war jetzt so straff gespannt, daß sie jeden Augenblick zerreißen mußte. Aber nicht ohne sie. Niemals. Ich bin noch nicht bereit zu gehen. Sie ist es noch nicht. Und egal was passiert, da wo sie hingeht, da gehe ich auch hin. Auch im Tod. Nicht einmal die Götter können mir meine... Liebe wegnehmen.

"Ich habe gesagt, du sollst atmen! Tu doch nur ein einziges Mal, was man dir sagt, Gabrielle, verdammt!" Mit ihrer übersteigerten Wahrnehmung konnte Gabrielle sehen, wie sich ein Schleier von blinder Wut über die Augen der Kriegerin legte, und sie spürte, wie Xena den letzten halt über sich selbst verlor. Wenn diese Wut die Überhand gewann, dann war die alte, dunkle Xena, zurück. Gabrielle hoffte mit jeder Faser ihres Daseins, daß die Kriegerin nicht die Kontrolle verlieren würde, und schrie innerlich, weil sie nicht mehr tun konnte.

Deine Zeit ist noch nicht gekommen, sagte eine Stimme in ihrem Geist, die nicht ihre eigene war. Du wärst uns willkommen gewesen, aber du hast deine Entscheidung getroffen. Geh zurück, und erfülle dein Schicksal.

"Ich habe dir vertraut. Ich habe dich geliebt und dir vertraut." Xena zitterte am ganzen Körper als sie wieder und wieder auf Gabrielles Brustkorb einschlug. "Und genau wie all die anderen läßt du mich im Stich!" Sie ließ sich hysterisch schluchzend auf Gabrielles Brust sinken. "Für die Liebe der Götter, Gabrielle, ATME!!!"

Nicht für die Liebe der Götter, Xena. Für uns. Für dich, und für mich. Für unser Heil, und unsere Liebe.

Gabrielle atmete.

***

Sie hielt sich mit all ihrer Kraft an den baumelnden Resten der Hängebrücke fest. Weit unter ihr blubberte und kochte der Abgrund mit flüssiger Lava und wütendem Feuer. Sie wußte, daß sie sich nicht mehr lange halten konnte. Ihre Finger waren schon ganz taub, und eine ihrer Hände war schon gefährlich weit abgerutscht.

"Xena," schrie sie, so laut sie konnte, "hilf mir!"

Xenas Kopf tauchte am Rand des Abgrundes über ihr auf. Ihre Augen weiteten sich entsetzt. Die Kriegerin kroch vorwärts und streckte eine Hand nach der Bardin aus. Die Hitze war schier unerträglich. Gabrielle wurde schwindelig. Xenas Hand schwebte eine handbreit über ihr.

"Nimm meine Hand, Gabrielle."

"Ich kann nicht! Wenn ich loslasse, dann falle ich. Ich habe keine Kraft.... Xena, bitte!"

"Komm schon, ich lasse dich nicht fallen. Du mußt loslassen. Nur eine Hand, Gabrielle."

"Ich kann nicht." Ihre Finger rutschten ab. Xena starrte sie fassungslos an. Schon wieder zu spät. Dann aber gab sie sich einen Ruck, und schaffte es durch einen ihrer unglaublichen Tricks, Gabrielles Arm zu greifen, als diese gerade ihren letzten Halt verlor. Sie schleuderte ihre Freundin über die Kante des Abgrundes hinweg nach oben, außer Gefahr. Aber der waghalsige Sprung hatte sie ihren eigenen unsicheren Halt gekostet, und sie fiel. Gabrielle, noch immer benommen, konnte nur hilflos zusehen, wie ihre Freundin auf die gleißende Lava zustürzte.

"Nein, das ist nicht wahr... das passiert nicht wirklich," flüsterte sie. Ein Gedanke schoß ihr durch den Kopf. Ich träume. Es muß ein Traum sein. Sie sah in den Abgrund hinab zu ihrer abstürzenden Freundin, die sie mit einem Ausdruck von friedlicher Resignation ansah. Es mußte einfach ein Traum sein. Sie trat direkt an den Abgrund heran. Nur noch ein Schritt....

Ich werde dich nicht verlassen... "Ich liebe dich, Xena."

Blink.

***

Sie spazierten durch die friedliche Stille eines üppigen Waldes. Xena hatte ihre Rüstung gegen eine cremefarbene Tunika eingetauscht, und Gabrielle trug ein grünes Kleid, das die Farbe ihrer Augen und ihrer Haare besonders gut zur Geltung brachte. Sie waren jetzt schon eine ganze Weile hier - wie lange? Ein paar Tage? Wochen? Gabrielle wußte es nicht. Es war auch nicht wichtig. Xena war wichtig.

Du hast dein Leben für mich gegeben. Und ich habe dich im Stich gelassen. Was geht hier vor?

"Was ist mit dir, Schatz? Du siehst traurig aus." Xenas Stimme klang unbeschwert, beinahe kindlich. Gabrielle verspürte einen kleinen Schock, als sie das Wort "Schatz" aus Xenas Mund hörte. Sie sah zu ihrer Freundin auf. Xenas Stirn war in Falten, und Sorge um Gabrielle stand deutlich in ihren Augen geschrieben. Gabrielle versuchte ein beruhigendes Lächeln, war sich aber sicher, daß sie ihre scharfsinnige Freundin damit für keinen Moment täuschen konnte. Sie sah vor ihrem inneren Auge schon die gehobene Augenbraue, den Blick der bis in ihre Seele hineinsah, und das leichte Zucken mit der Schulter, das sagte, daß Xena ihr das zwar nicht abkaufte, daß sie aber nicht weiter nachfragen würde. Noch nicht.

Gabrielle schloß ihre Augen für einen Moment und ließ die Sonnenstrahlen über ihre Augenlider streichen, bevor sie sprach. "Ich bin in Ordnung. Ich habe nur nachgedacht." Es war so ein herrlicher Tag. Sie wollte ihn nicht mit ihrer seltsam gedrückten Stimmung verderben. Sonnenlicht fiel durch die Baumkronen über ihren Köpfen und warf goldene und grüne Reflexe auf den moosbedeckten Waldboden.

Xena legte ihren Arm und sie, und die natürliche Leichtigkeit der Geste versetzte der Bardin erneut einen leichten Schock. Die größere Frau lächelte Gabrielle zaghaft an. Noch nie zuvor hatte die dunkelhaarige Kriegerin ihre Gefühle so offen in ihren Augen erkennen lassen. In der ganzen Zeit, in der die beiden zusammen durch die Welt gezogen waren, hatte Gabrielle nicht so viele verschiedene Regungen dort gesehen, wie in diesem Moment.

"Beunruhigt dich unsere... Beziehung? Wir haben nie richtig darüber gesprochen, als ich noch... na ja, du weißt schon. Und danach... danach haben wir wohl einfach beide angenommen, daß es in Ordnung ist. Ist es in Ordnung?" Sie sah zu Boden, unfähig, ihrer Freundin in die Augen zu sehen. Ganz offensichtlich wollte sie Gabrielles Antwort hören, fürchtete sich aber davor.

Gabrielles Gedanken schwirrten wild in ihrem Kopf herum. Sie versuchte verzweifelt, die fehlenden Teile ihrer Erinnerung wiederzufinden, während sie ihr bestes gab, um ihren inneren Kampf vor der Kriegerin zu verbergen. Zu ihrem großen Erstaunen schien sie damit sogar Erfolg zu haben. Das war etwas... Ein Ritual, mit ein paar Göttern, einem Opfer aus Liebe von Gabrielle, und einem von Xena... ja, das war es. Die Läuterung. Die Erinnerung war noch etwas verschwommen, aber sie kam langsam zurück.

Aphrodite und Hades hatten gemeinsam Xenas Seele gereinigt, sie von ihrer dunklen Seite reingewaschen. Es hatte einige Überzeugungskraft gekostet, die beiden Götter zu dieser Tat zu überreden. Auch Xena hatte ernste Bedenken gehabt, hatte aber schließlich zugestimmt. Also hatten sie gemeinsam das Biest ausgeschnitten und das Reine, Gute in der Seele der Kriegerin zurückgelassen. Die pure Güte, das Licht und die wundervolle neue Ausstrahlung ihrer neu geschaffenen geliebten hatten Gabrielle den Atem geraubt. Als Gabrielle später Aphrodite nach den Opfern gefragt hatte, hatte die Göttin nur mit unlesbarer Mine gesagt: "Aber Süße, die habt ihr doch schon gemacht. Xenas ging an Hades, und deins, mein Honigschnäuzchen, an mich." Sie grinste plötzlich. "Mmmmmmmh, und WAS für ein Opfer! Ich muß die Fliege machen. Ciao!" Und damit war sie verschwunden.

In der ersten Zeit war es unglaublich gewesen. Das Bewußtsein, daß Xena jetzt endlich frei von ihren Sünden und all der Dunkelheit war, hatte Gabrielle in einen wahren Glückstaumel versetzt. Die beiden hatten ihre Zeit damit verbracht, sich ihres Lebens zu freuen, die ewige Liebe zu schwören.

Aber irgendwie war alles bald anders geworden. Xena hatte sich ihr völlig geöffnet, ihr ihre Seele zu Füßen gelegt. Doch Gabrielle mußte erschrocken feststellen, daß Xena ein sehr oberflächlicher Mensch war. Die Entschlossenheit und die Charakterstärke der Frau, die sie so gut zu kennen glaubte, waren wie weggeblasen. Xena vertraute jetzt jedem Menschen dem sie begegnete, und trug ihr Herz förmlich auf der Zunge. Es machte die Verbindung, die die beiden teilten, sehr viel weniger wertvoll.

Nachts, wenn Xena wie ein Baby an ihrer Seite schlief, saß Gabrielle oft wach und dachte nach. Und je mehr sie darüber nachdachte, um so größer wurde in ihr die Gewißheit, daß sie einen schrecklichen Fehler gemacht hatte.

Xena war einfach nicht dieselbe ohne die Erfahrungen, Fertigkeiten und die einmalige Sicht der Dinge, die ihr ihre langen Jahre der Dunkelheit beschert hatten. Ihre innere Stärke und ihr eiserner Wille waren durch Zeiten der Entbehrung und des ewigen Kampfes geboren. Und dann waren da auch noch ihr untrüglicher Instinkt und ihre kämpferischen Fähigkeiten, diese wildere, ungezähmte Seite der Kriegerin, die etwas tief in Gabrielle berührte, wenn immer sie zum Vorschein kam. Mit der dunklen Seite ihrer Seele hatte Xena auch einen entscheidenden Teil ihrer Persönlichkeit verloren. Überrascht mußte Gabrielle sich eingestehen, daß gerade diese rätselhafte, unergründliche Seite, die ihren Charakter so undurchschaubar und geheimnisvoll machte, einen großen Anteil an Xenas unwiderstehlicher Ausstrahlung hatte. Tag für Tag mußte sie Kämpfe austragen, von denen niemand außer Gabrielle auch nur die leiseste Ahnung hatte; stoisch akzeptierte sie den noch immer starken Haß und die Vorurteile, die ihr entgegengebracht wurden. Sie schaffte es auf unglaubliche Weise, den dunklen Kräften, die noch immer in ihr am Werk waren, eine neue Richtung zu geben und sie für das Gute einzusetzen. All das, zusammen mit ihrer imposanten Erscheinung und starken Persönlichkeit, war es gewesen, was Gabrielle von Anfang an so stark angezogen hatte. Und wenn die Kriegerin auch noch ein gutes Herz und einen trockenen Sinn für Humor irgendwo versteckt hielt - was konnte man da noch mehr wollen?

Gabrielle betrachtete die Frau, die da vor ihr stand. Sie war - unvollständig, flach. Langweilig. Bemitleidenswert. Und ich bin schuld daran. Oh, ihr Götter, ich habe sie zerstört. Sie muß durch ihre eigene Dunkelheit zum Licht gehen, sonst zählt es nicht. So wie es jetzt ist, ist es nicht die echte Xena. Ich hätte sie niemals dazu überreden dürfen. Ich dachte, ich könnte es leichter für sie machen. Ich konnte diesen ewigen Kampf einfach nicht mehr mit ansehen. Aber ihr scheint es nie so viel ausgemacht zu haben wie mir. Dann war es also nur meine eigene Selbstsucht? Okay, Bardin, hier ist deine Belohnung. Trotz allem scheint sie glücklich zu sein. Das ist doch das Wichtigste, oder? Vielleicht war es doch besser so. Warum kann ich mich dann nicht freuen? Warum habe ich dieses schreckliche Gefühl, einen Krüppel aus ihr gemacht zu haben? Ich hatte kein Recht dazu. Und alles nur wegen meiner selbstsüchtigen Liebe zu ihr. Aber jetzt...

Die Wahrheit wurde ihr langsam bewußt. Ich liebe sie nicht... Mein Opfer an Aphrodite. Das war es also... DAS habe ich aufgegeben??? Ihr Götter, was habe ich nur getan? Und das bedeutete, das Hades Xena doch bekommen hatte - er hatte ihre dunkle Seite als Opfer entgegengenommen, und damit eine Dimension ihrer Seele geraubt. Zurückgeblieben war diese flache, leere Hülle.

Xena sah sie besorgt an. "Was beunruhigt dich nur, meine Liebste? Ich habe dich noch nie so verstört gesehen."

Gabrielle fand keine Antwort.

"Gabrielle, bitte rede mit mir," flehte Xena. "Ich sehe doch, daß etwas nicht stimmt. Bitte sperr mich nicht aus!"

Gabrielle versuchte krampfhaft, Worte zu finden, die ihre Freundin nicht verletzen würden. "Oh Xena.... Ich weiß auch nicht, was mit mir los ist." Lügnerin. "Aber...." Es war zu spät, um umzukehren. Xena war trotz allem ihre beste Freundin, ihre Geliebte. Aber dieser Gedanke hatte einen fahlen Beigeschmack.

Sie zwang sich dazu, in Xenas Augen zu sehen, diese bodenlos tiefen, klaren blauen Seen. Sogar jetzt hätte sie ohne Probleme darin versinken können. Aber dafür war keine Zeit.

"Xena, ich... ich muß für eine Weile weggehen. Ich muß das was in Ordnung bringen."

"Okay. Aber zum Abendessen bist du wieder da, oder?"

Bei allen Göttern, sie verstand nicht! Sie machte die Sache nicht einfacher!

"Nein, Xena. Ich gehe nicht nur Kurz weg. Ich... muß dich für länger verlassen. Es tut mir leid."

"Aber warum? Und wohin gehst du? Wann kommst du zurück?"

Gabrielle straffte die Schultern. Sie wußte genau, was sie zu tun hatte. "Jemand hat mir... hat uns etwas weggenommen. Ich habe vor, es zurückzuholen." Oder bei dem Versuch zu sterben, was um einiges wahrscheinlicher ist, fügte sie in Gedanken hinzu. Klar, kein Problem. Ich will ja nur ein paar Götter dazu überreden, etwas zurückzugeben, daß sie eigentlich gar nicht nehmen wollten. Trotzdem haben sie keine Mühen dafür gescheut. Und ich glaube auch kaum, daß Xena mir besonders dankbar sein wird, wenn ich es doch irgendwie schaffe.

Xena Tätschelte ihren Arm. "Das ist nett, Schatz. Aber bist du sicher, daß du keine Hilfe brauchst? Ich bin doch stark. Ich kann dir bestimmt helfen."

"Nein, Liebes, ich muß das alleine machen. Mach dir keine Sorgen, ich komme schon zurecht."

Ich muß es einfach versuchen, auch wenn sie mich dafür hassen wird. I muß versuchen, sie wieder ganz zu machen. Vielleicht nehmen die Götter mein Leben als Bezahlung an. Das ist kein zu hoher Preis... für die Liebe.

Blink.

***

"Verlaß mich nicht, Gabrielle."

"Niemals. Nicht in diesem Leben, und nicht im nächsten. Ich liebe dich."

Blink.

***

Gabrielle öffnete ihre Augen zögernd einen Spalt breit. Sie blinzelte in helles Sonnenlicht, das einen stechenden Schmerz durch ihren Kopf zucken ließ. Mit einem leisen Stöhnen sah sie sich um und blickte direkt in ein paar gletscherblaue Augen, die sie besorgt und voller Erleichterung ansahen. Xenas Augen waren gerötet, und ihre Lider sahen schwer aus.

"Hey," krächzte Gabrielle, "wie lange war ich weg?" Ich lasse sie immer wieder im Stich. Was ist nur los mit mir?

"Paar Tage. Wie fühlst du dich?"

"Tut ganz schön weh." Mein Herz tut am meisten weh. Was werde ich als nächstes tun, um sie zu verraten?

"Das glaube ich. Du hast da einen ganz guten Schlag abbekommen. Aber sonst fühlst du dich okay?"

Gabrielle nickte nur.

"Na ja, sieht so aus, als hätte ich dich in einem Stück wieder." Xena lächelte. "Den Göttern sei Dank. Ich hätte mir das sonst niemals verzeihen können. Ich war zu spät, um dich zu beschützen. Schon wieder..." Sie wurde ernst. "Eine Zeitlang habe ich gedacht, ich würde dich verlieren. Du warst im Delirium. War schlimm, was?"

"Das kannst du laut sagen," sagte Gabrielle, und versuchte, sich aufzusetzen. "Xena, Ich-"

Xena drückte sie sanft in die Decken zurück. "Nein, Gabrielle, sag jetzt nichts. Du brauchst Ruhe. Entspann dich einfach okay? Du bist in Sicherheit." Gabrielle fühlte plötzliche Panik in ihr aufsteigen. Sie zwang sich, ruhig zu bleiben, und schloß ihre Augen, um den brummenden Schmerz in ihrem Kopf zu lindern.

"Bist du sicher, daß es dir gut geht?" fragte Xena besorgt. "Dein Atem klingt ein bißchen... schwer."

"Ich bin okay. Es ist nur... ich weiß auch nicht. Ich hatte ein paar ziemlich merkwürdige Träume. Kannst du mir helfen? Ich möchte mich aufsetzen."

Xena wollte protestieren, aber ein Blick auf das flehende Gesicht der Bardin ließ sie schließlich nachgeben. "Klar." Die Kriegerin stütze vorsichtig den Gabrielles Kopf und Rücken mit ihren starken Armen und hob sie langsam hoch. Dann setzte sie sich zurecht und zog die Bardin an sich.

"Ist das so okay?"

"Perfekt! Danke."

Sie saßen eine Weile schweigend. Gabrielle spürte den Körper der Kriegerin, der gegen ihren Rücken gepreßt war, Xenas warmen Atem und das Gefühl von liebevoller Geborgenheit, daß die Kriegerin ausstrahlte.

"Gabrielle -"

"Xena, ich -"

"Nein Gabrielle, ich muß das jetzt loswerden." Die Kriegerin legte leicht einen Finger auf Gabrielles Mund. Gabrielle fühlte den Atem der Kriegerin schneller werden. "Ich dachte wirklich, daß du... Ich konnte den Gedanken nicht ertragen, vielleicht nie wieder in deine Augen zu schauen. Und die ganze Zeit konnte ich nur daran denken, wie mies ich dich behandelt habe, und das ich dir vielleicht nicht mehr sagen kann, wie viel du mir bedeutest. Und wie leid es mir tut."

Kalte Angst legte sich um Gabrielles Kehle als das sie ein Gefühl von "deja vu" überkam.

"Das weiß ich, Xena. Du brauchst mir das ... Oh, Götter, warte mal!" Das habe ich doch schon mal gehört, oder? Das habe ich doch schonmal gesagt. Und wenn ich ihr jetzt wieder sage, da ß ich sie...

Ein paar starke Arme fingen sie auf, bevor sie schlaff zu Boden sank. "Gabrielle, was hast du? Du bist weiß wie eine Wand. Vielleicht solltest du dich doch lieber wieder hinlegen."

"Nein." Gabrielle holte tief Luft. "Ich hatte... diese Träume. Einer davon war genauso... wie jetzt. Du und ich, wir haben hier gesessen, du hast etwas gesagt, und ich habe etwas gesagt, und auf einmal war ich wieder in diesem Alptraum..." Und du bist für mich gestorben. Sie konnte nicht weitersprechen.

"Und jetzt hast du Angst, daß das jetzt wieder passiert." Xena atmete tief, und zog die Bardin fester an sich heran. "Gabrielle, du bist zurück. Du bist hier, ich bin bei dir. Hab keine Angst, ich lasse dich nirgendwo hingehen." Nach einer kurzen Pause fuhr sie fort. "Du hast mich wirklich ganz schon erschreckt, weißt du das? Ich habe es bis jetzt nie fertig gebracht, dir das zu sagen, aber ich bin wirklich froh, daß du all diese Zeit zu stur warst, um mich zu verlassen."

"Das war ich wohl, was?"

"Stur? Oh ja, und wie! Aber das habe ich irgendwie immer an dir gemocht." Xena strich ein Haarsträhne aus dem Gesicht der Bardin, und ließ ihre Finger zärtlich Gabrielles Gesicht streicheln. Gabrielle wurde starr. Nicht schon wieder.

Xena fuhr fort, sie sanft zu streicheln, und gegen ihren Willen entspannte Gabrielle sich langsam, und gab schließlich allen Widerstand auf. Was ist, wenn das hier die Wirklichkeit ist? Konnte sie es riskieren, es nicht herauszufinden? Sie drehte leicht ihren Kopf, und begegnete Xenas hungrigen Lippen mit ihren eigenen.

"Liebst Du mich, meine Bardin?"

Das ist der Schlüssel. Gleich habe ich es...

"Oh ja, Xena, ich liebe dich."

Blink.

***

Endet es also hier?

Blink...Blink...Blink...

Nicht schon wieder. Wird es denn jemals enden?

"Ich liebe dich, Xena."

Blink.

Oh, bitte!

"Ich liebe dich."

Blink.

***

Gabrielle öffnete ihre Augen zögernd einen Spalt breit. Sie blinzelte in helles Sonnenlicht, das einen stechenden Schmerz durch ihren Kopf zucken ließ. Mit einem leisen Stöhnen sah sie sich um und blickte direkt in ein paar gletscherblaue Augen, die sie besorgt und voller Erleichterung ansahen. Xenas Augen waren gerötet, und ihre Lider sahen schwer aus.

"Hey," krächzte Gabrielle, "wie lange war ich weg?"

"Paar Tage. Wie fühlst du dich?"

"Tut ganz schön weh."

"Das glaube ich. Du hast da einen ganz guten Schlag abbekommen. Aber sonst fühlst du dich okay? Du kannst mich normal sehen und hören? Keine Schleier über deinen Augen, kein lautes Rauschen oder Klingeln in den Ohren?"

Gabrielle nickte nur. Xena blickte die Bardin durchdringend an, beobachtete, wie sich die Pupillen weiteten, wenn sie Gabrielles Augen mit ihrer Hand vom Licht abschirmte, und wie sie sich wieder zusammenzogen, wenn sie ihre Hand wegnahm. Schließlich nickte sie zufrieden.

"Gut. Fühlst du das hier?" Xenas starke Finger wanderten über Gabrielles Arme und Beine, wobei sie an verschiedenen Stellen leichten Druck ausübte. Sie wartete jedesmal auf Gabrielles Zustimmung, bevor sie ihre Untersuchung fortsetzte. Schließlich richtete sie sich auf, zufrieden mit dem Ergebnis.

Das ist meine Xena, dachte Gabrielle, ruhig und besonnen, und immer mit beiden Beinen auf dem Boden der Tatsachen. Schön, daß ich sie wiederhabe..

"Na ja, sieht so aus, als hätte ich dich in einem Stück wieder. Dein Rücken und dein Kopf sind unverletzt." Xena lächelte. "Den Göttern sei Dank. Ich hätte mir das sonst niemals verzeihen können." Sie wurde ernst. "Eine Zeitlang habe ich gedacht, ich würde dich verlieren. Du warst im Delirium. War schlimm, was?"

"Das kannst du laut sagen," sagte Gabrielle, und versuchte, sich aufzusetzen. "Xena, Ich-"

Xena drückte sie sanft in die Decken zurück. "Nein, Gabrielle, sag jetzt nichts. Du brauchst Ruhe. Ich mache dir jetzt einen Tee gegen die Schmerzen. Entspann dich einfach, okay? Du bist in Sicherheit. Ich bin sofort wieder da." Gabrielle fühlte plötzliche Panik in ihr aufsteigen. Sie zwang sich, ruhig zu bleiben, und schloß ihre Augen, um den brummenden Schmerz in ihrem Kopf zu lindern. Als Xena mit dem Tee zurückkam, atmete sie noch immer schwer.

"Bist du sicher, daß es dir gut geht?" fragte Xena besorgt.

"Ich bin okay. Es ist nur... ich weiß auch nicht. Ich hatte ein paar ziemlich merkwürdige Träume. Kannst du mir damit helfen?" sie deutete auf den Becher mit Tee, den Xena in der Hand hielt. "Ich glaube nicht, daß ich das im Liegen trinken kann.

"Klar." Die Kriegerin stütze vorsichtig den Gabrielles Kopf und Rücken mit ihren starken Armen und hob sie langsam hoch. Dann setzte sie sich zurecht und zog die Bardin an sich.

"Ist das so okay?" fragte sie und reichte ihr den Becher mit der dampfenden, duftenden Flüssigkeit. "Ich hab Honig reingetan. Es riecht ganz gut, aber es schmeckt wie Zentaurenmist."

"Perfekt! Danke." Die Bardin nahm artig einen kleinen Schluck, und verzog das Gesicht. "Du hast recht. Das schmeckt wirklich wie Zentaurenmist. Ich will gar nicht wissen, was da alles drin ist. Wo findest du nur all das schreckliche Zeug?" Xena lachte leise. "Trink. Danach wirst du dich besser fühlen." Sie rückte sich zurecht, um es sich bequemer zu machen. "So. Willst du mir von deinen Träumen erzählen?"

"Tut mir leid, aber das kann ich nicht." Gabrielle drehte ihren Kopf leicht. um die Kriegerin anzusehen und bat sie wortlos, das Thema vorerst ruhen zu lassen.

"Kein Problem." Sie saßen eine Weile schweigend. Während sie weiter kleine Schlucke von dem übel schmeckenden Tee nahm, spürte Gabrielle den Körper der Kriegerin, der gegen ihren Rücken gepreßt war. sie fühlte sich ihr in diesem Moment unglaublich nahe, als ob sie irgendwie neue Einblicke in das Wesen ihrer schweigsamen Freundin gewonnen hätte.

"Gabrielle -"

"Xena, ich -"

"Nein Gabrielle, ich muß das jetzt loswerden." Die Kriegerin legte leicht einen Finger auf Gabrielles Mund. Gabrielle fühlte den Atem der Kriegerin schneller werden. "Ich dachte wirklich, daß du... Ich konnte den Gedanken nicht ertragen, vielleicht nie wieder in deine Augen zu schauen. Und die ganze Zeit konnte ich nur daran denken, wie mies ich dich behandelt habe, und das ich dir vielleicht nicht mehr sagen kann, wie viel du mir bedeutest. Und wie leid es mir tut."

Kalte Angst legte sich um Gabrielles Kehle als das sie ein Gefühl von "deja vu" überkam.

"Das weiß ich, Xena. Du brauchst mir das ... Oh, Götter, warte mal!" Das habe ich doch schon mal gehört, oder? Das habe ich doch schonmal gesagt. Und wenn ich ihr jetzt wieder sage, da ß ich sie...

Ein paar starke Arme fingen sie auf, bevor sie schlaff zu Boden sank. "Gabrielle, was hast du? Du bist weiß wie eine Wand. Vielleicht solltest du dich doch lieber wieder hinlegen."

"Nein." Gabrielle holte tief Luft. "Ich hatte... diese Träume. Einer davon war genauso... wie jetzt. Du und ich, wir haben hier gesessen, du hast etwas gesagt, und ich habe etwas gesagt, und auf einmal war ich wieder in diesem Alptraum..." Und du bist für mich gestorben. Ich habe dich wieder und wieder im Stich gelassen. Sie konnte nicht weitersprechen.

"Und jetzt hast du Angst, daß das jetzt wieder passiert." Xena atmete tief, und zog die Bardin fester an sich heran. "Gabrielle, du bist zurück. Du bist hier, ich bin bei dir. Hab keine Angst, ich lasse dich nirgendwo hingehen." Nach einer kurzen Pause fuhr sie fort. "Du hast mich wirklich ganz schon erschreckt, weißt du das? Ich habe es bis jetzt nie fertig gebracht, dir das zu sagen, aber ich bin wirklich froh, daß du all diese Zeit zu stur warst, um mich zu verlassen."

"Das war ich wohl, was?" Es war beängstigend. Gabrielle fröstelte.

"Stur? Oh ja, und wie! Aber das habe ich irgendwie immer an dir gemocht." Xena strich ein Haarsträhne aus dem Gesicht der Bardin. Gabrielle lehnte sich entspannt gegen sie. Sie war plötzlich schläfrig. "Aber jetzt, liebe Bardin, wirst du schlafen." Xena zwinkerte ihr zu. "Und weil ich dich kenne, habe ich was in deinen Tee getan, das dir dabei helfen wird."

"Du hast...? Oh, du bist...!" Sie gähnte. "Dafür wirst du bezahlen," murmelte sie halbherzig, als Xena sie vorsichtig in die Decken zurücklegte. Dann setzte sich die Kriegerin zurecht, um ihren Schlaf zu bewachen. Mit ihrem Leben!

Als sie langsam in einen tiefen Schlummer hinein driftete, kam Gabrielle ein Gedanke. "Xena, diesmal warst du nicht zu spät, stimmt's," sagte sie schlaftrunken, "muß wohl ein gutes Zeichen sein." Das letzte, was sie sah, bevor sie der heilende Schlaf übermannte, war Xenas sanftes Lächeln, und ihre letzter Gedanke...

Hmm... hier öffnen sich ganz neue Perspektiven...

Ende

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